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Braunschweiger Zeitung

 


Das herrliche Leben nach dem Heldentod
Ein neues Buch befasst sich mit dem Schwarzen Herzog, dem legendären Braunschweiger Heerführer. In einem Punkt erinnert der Schwarze Herzog an den antiken Heerführer Hannibal. Kein Herrscher, sondern ein Krieger, der am liebsten loszieht und losschlägt mit seinen Leuten. Und zwar gegen den einen großen Feind. Das Herz randvoll mit Hass. Ein Leben lang. Bei dem einen war’s Rom, bei dem anderen Napoleon. Beide endeten tragisch.In einem neuen Buch des Instituts für Braunschweigische Landesgeschichte über den Herzog Friedrich Wilhelm werden in einer Reihe von Aufsätzen die Facetten dieser schillernden Persönlichkeit aufgefächert. Besonderes Augenmerk liegt natürlich auf einem besonderen Phänomen: Dieser Mann hatte zwei Leben. Eins vor dem Tod, eins nach dem Tod. Wobei das zweite wohl das nationalpsychologisch aufschlussreichere ist. Der Braunschweiger wurde zur Projektionsfigur des frisch erwachten Nationalbewusstseins der Deutschen. War der Herzog schon zu Lebzeiten bei seinen Braunschweigern populär, weil er sich betont kernig und volkstümlich gab, so wurde er nach dem Heldentod verklärt. Sein Nachleben in der Dichtung des 19. Jahrhunderts zeichnet in dem Band Angela Klein nach. Sie schreibt: „Trauer und Betroffenheit wurden mittels Lied, Ballade, Erzählgedicht, Elegie, Ode oder Sonett zum Ausdruck gebracht.“ Dem (teilweise unfreiwillig komischen) Pathos war keine Grenze gesetzt. Alois Schreiber dichtete: „Gleich einem Leu ist er gefallen / Knirschend noch im edlen Groll“. Hoffmann von Fallerleben harfte: „Trauer tönet von der Deutschen Eiche / sie beweinet ihren Heldensohn ...“ Angela Klein verschweigt auch die aggressive Stoßrichtung vereinzelter Gedenkverse nicht. Etwa bei Alois Schreiber: „Bringt zehntausend welsche Leichen / ihm zum Totenopfer dar“. Andere Autoren rücken in dem Buch das verklärte Bild zurecht. Gerd Biegel resümiert: „Eine höchst ambivalente Persönlichkeit, kein das unsichere Land ordnender Herzog, eher ein ungestümer Militär, kein großer strategisch denkender Feldherr, aber doch ein tapferer Soldat.“ Biegel weist nach, dass Friedrich Wilhelm ähnlich dem Preußen Friedrich II. vom Vater kujoniert, für unmännlich und unfähig erklärt wurde („Du bist ein verlorener Mensch, wenn Du bleibst, wie Du bist“). Ein ungeliebter Sohn, der sich ein Leben lang dem Vater gegenüber beweisen wollte. Das sei einer der Gründe, warum er als Regent seines Herzogtums so ungeduldig und herrisch auftrat (dabei aber wenig bewirkte). Der historisch Interessierte erfährt aus dem Band manches, was über die heute wohl nur noch regional bedeutsame Gestalt hinausgeht. Etwa über die Befreiungskriege oder darüber, wie Braunschweig beim Wiener Kongress aus dem untergegangenen Königreich Westphalen wiedererstand. Dank des Tagebuchs eines Feldwebels tritt auch die grausige Realität hinter der Folie eines verklärten Heldentums zutage: „Es war ein schauderhafter Anblick auf dem Kampfplatze, so viele von unserem Bataillon dort liegen zu sehen, so wie auch einzelne Arme und Beine, von den Franzosen fand ich ganze Massen, überall lagen die Leichen herum ... Ein junges Mädchen fanden wir in Clichy im Hemde liegen mit abgeschossenem Kopfe ...“

 


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