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Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ)

 


Aristokrat und Nazi-Gegner
Das Tagebuch von Heinrich Prinz zu Schaumburg-Lippe

Der Mann rang um Erklärungen für den Rückfall in die Barbarei: "Es wird aber immer, scheint mir, ein psychologisches Rätsel bleiben, wie es möglich war, ein Volk (...) zu einem so langen Durchhalten an der Front zu bereden", notierte Heinrich Prinz zu Schaumburg-Lippe kurz nach dem Krieg in sein Tagebuch.Der Aristokrat (1894-1952), geboren als sechstes Kind des regierenden Fürsten Georg zu Schaumburg-Lippe in Bückeburg, stand dem NS-Regime - anders als einige seiner Geschwister - kritisch gegenüber. In seinen privaten Aufzeichnungen warnte er schon 1938 vor einem Krieg: "Es ist mir ganz unverständlich, wie die Menschen nicht erkennen können, dass aus einem Kriege für niemand Segen kommen kann." Nach 1945 beäugte er misstrauisch die Exkulpationsversuche der Deutschen, die der "Führung" die Schuld gaben ("Jämmerlicher Versuch einer Entlastung"), und er zeigte sich erschüttert über die Gräuel in den KZ: "Man muss sich vor den Ausländern schämen, Deutscher zu sein." Jetzt hat sein Enkel, der Rechtsanwalt Heinrich vom Hofe, die Tagebücher des Großvaters ediert. Dieser hatte verfügt, dass die Aufzeichnungen nicht ins Hausarchiv gelangen sollten - offenbar aus Misstrauen gegenüber seinem Bruder Wolrad, dem damaligen Chef des Adelshauses (und Großvater des heutigen Chefs Alexander zu Schaumburg-Lippe). Die Tagebuchedition "Wiedergutmachung muss sein ..." gewährt Einblicke ins Denken eines christlich-konservativen Adeligen, der kein moderner Demokrat war, doch ein genaues Gespür für Recht und Unrecht hatte. Und sie ist eine aufschlussreiche Quelle für die Geschicke im Bückeburg der Nachkriegszeit. Etwa dafür, wie die Deutschen 1945 die Alliierten wahrnahmen: "In der Siedlung Negereinquartierung. Sie sollen sehr nett und artig sein, außer wenn sie Schnaps erwischen."



 


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